Autor Thema: [NL] Arnhem  (Gelesen 19274 mal)

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[NL] Arnhem
« am: 30. Mai 2016, 14:16:28 »
Nach vielen Jahren und vielen Beiträgen im tramwayorientierten Schwesterforum ist's nun an der Zeit, auch in diesen heil'gen Hallen ein bisschen etwas beizutragen. Das Verkehrsmittel Bus ist so viel verbreiteter als die Tramway, selbst im urbanen Kontext; und das verlangte und verlangt danach, Schwerpunkte zu setzen. Für mich sind das dreierlei: Erstens Obusse. Eh klar. Ein Obusnetz bildet wie ein Straßenbahnsystem unübersehbare Lebensadern einer Stadt, strukturiert und fokussiert den Nahverkehr; kurz, ist per se schon eine Buskategorie besonderer Bedeutung. Zweitens Städte, die ein Busnetz nicht nur deswegen betreiben, weil es halt notwendig ist, den drei As auch ein Mindestmaß an Mobilität gnadenhalber zur Verfügung zu stellen, sondern die sich bewusst für ein Busnetz dergestalt engagierten und engagieren, dass es für sich bemerkenswert besser als das vielverbreitete Mittelmaß ist. Und drittens die inzwischen aussterbende Menge von Städten, die ihren Bussen schöner gestaltete Anzeigen als Punktmatrixhaufen gönnen.

Ich möchte mit einer Stadt anfangen, die alle drei Punkte vereint; im letzteren allerdings auch mit Ablaufdatum, haben doch die neuen Obusse alle schon Matrixanzeigen. Die Stadt, um die es sich dreht, ist Arnhe(i)m: Eine in meinen Augen coole, lässige und sehr lebenswerte kleine Großstadt, die außerordentlich gut erreichbar in der Mitte zwischen dem Rheinruhrgebiet einerseits und Amsterdam andererseits liegt; mit dem Zug jeweils bloß eine Stunde Fahrzeit entfernt. Arnheim versteht sich aktiv und bewusst als Trolleystad(t), und wirbt auch auf den Obussen damit. Das Obusnetz war noch nie größer als jetzt; und ich kenne wenige andere Städte im ehemaligen politischen Westeuropa, in denen der Obus seit Jahrzehnten das strukturierende und entsprechend verzweigte Nahverkehrsmittel der höchsten Ebene war und immer noch ist. Limoges, Salzburg, Solingen und die eine oder andere Schweizer Mittelstadt fallen einem offensichtlich ein, aber sonst?

Genug der einleitenden Worte, fangen wir mit einer unspektakulären Aufnahme an: Wagen 5228 in der Abendsonne des 11. April 2016 als Einzieher der Linie 5 zum Bahnhof an der Haltestelle Rietgrachtstraat; dort, wo die Linien 5 und 6 auf die Singel rund um die Innenstadt einmünden (Netzplan). Die farbige Liniennummer ist ein wesentliches Argument für die langjährige Beibehaltung gedruckter Linien- und Zielanzeigen bis in die allerjüngste Vergangenheit gewesen; die sauber aus der Interstate gesetzten Anzeigen sind eine Freude (dieselbe Schriftfamilie wird im Übrigen in den Niederlanden als Verkehrsschilderschrift verwendet).


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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #1 am: 31. Mai 2016, 16:22:29 »
Die von mir letztens erwähnten Städte Limoges, Salzburg, Solingen und Arnheim haben neben dem Charakter als Obusstädte noch ein weiteres Merkmal gemeinsam: Allesamt haben in etwa 150000 Einwohner. Scheint so, als ob das die optimale Größe ist, ein bis zwei Handvoll Buslinien auf Obusbetrieb aufzuwerten, und damit dem gesamte Netz eine hochwertige Struktur zu verleihen. In Arnheim waren lange Zeit die Linien 1, 3, 5 und 7 Obuslinien, teils mit Verzweigungen an den Linienenden. Auf der Linie 2 nach Hoogkamp wurde 2009 zunächst der elektrische Betrieb wiederaufgenommen; im Dezember 2014 wurde ihre Länge mit der Strecke über den Rhein nach De Laar West mehr als verdoppelt. Und seit 2012 fährt eine der beiden vorher von der Linie 5 abgedeckten Relationen, nämlich Elsweide–De Laar West als Linie 6 — Nachwirkung der nunmehr von der Linie 5 abgedeckten Neubaustrecke nach Schuytgraaf. In De Laar West geht jeder zweite Wagen der Linie 6 auf die Linie 2 über, sodass die entsprechenden Wägen auf einem Gesamtumlauf viermal die Schleife am ganz neuen Trolleybussenplein vor dem Hauptbahnhof durchfahren.

Eine der klassischsten Obusstrecken wird vom 7er auf der Relation Bahnhof–Nelson Mandelabrug–GelreDome–Kronenburg–Rijkerswoerd abgedeckt; nahe der letztgenannten Endstation ist hier Wagen 5226 am 5. September 2011 in der Marga Klompélaan zu sehen. Schöner Bus, schöne Farbgebung, schöne Umgebung, schöne Anzeige; es war ein wunderbarer Tag damals in Arnheim.

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #2 am: 03. Juni 2016, 08:50:35 »
Eines der klassischsten Fotomotive in Arnheim ist die Oberleitungsspinne in Rijkerswoerd, die in ihrer Lage durchaus eine Herausforderung darstellt, sie halbwegs ansprechend auf Film bzw. Pixel zu bannen. Hier ist nochmals Wagen 5226 am 5. September 2011 zu sehen. Der 7er fährt hier inzwischen werktags alle 10 Minuten; die Linien 1, 3, 5 und 6 bieten jeweils einen Viertelstundentakt, was beim Linienbündel 5/6 auf dem langen gemeinsamen Abschnitt einen Siebeneinhalbminutentakt bedeutet. Der Zweier wurde anfangs mit einem Halbstundentakt instradiert; das ist gewiss verbesserungswürdig, aber die Frequenz ist im Gegensatz zu den vorgenannten Linien auch derzeit noch enden wollend. Ein Henne-Ei-Problem?

Eine kleine Frage im Nachschuss: Arnheim ist sicher nicht die meistge- und -besuchte Destination des p. t. Publikums dieses Forums; besteht dennoch Interesse an der Weiterführung dieser Serie?

Linie 255

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #3 am: 03. Juni 2016, 10:59:57 »
Tolle Reportage, also aus meiner Seite herscht weiterhin interesse :up:

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #4 am: 03. Juni 2016, 20:32:44 »
Tolle Reportage, also aus meiner Seite herscht weiterhin interesse :up:

Das freut mich aufrichtig, dann macht's auch viel mehr Spaß  :D

Arnheim zeichnet sich dadurch aus, dass in kritischer Innenstadtlage sowie überall dort, wo genug Platz ist und Frequenz herrscht, dem Obus bewusst und ausgiebig Raum gegeben wird; Raum, der in anderen Städten dem MIV zugeschrieben würde. Dies äußert sich entweder durch kleinräumige Lösungen – bevorzugte Linksabbiegewege zB – oder aber auch durch lange, in Summe durchaus sehr lange Straßenzüge, die ausschließlich dem (O)bus zur Verfügung stehen; oft in beide Richtungen, bisweilen auch als Verkehr gegen die MIV-Einbahn. Hier vor dem Einkaufszentrum (Winkelcentrum) Kronenburg im Südosten Arnheims haben wir so eine Obusstraße, auf der 2009 an Obussen noch nur der 7er fuhr, inzwischen aber auch der 2er. Man kann, wie anfangs angedeutet, ein Obusnetz lustlos als Busnetz mit erratischen Leitungen in der Luft und zwischen den Dieselkarren halt vereinzelt elektrischen Stangerlbussen betreiben (einige italienische Städte fallen mir hier ein…) – oder aber, wie hier in Arnheim, das Gesamtbild im Auge haben, und wenn man sich schon diesem Verkehrsmittel verschreibt, dann auch die Lösung entsprechend prominent platzieren. Die gesonderten Obustrassen sind übrigens mit straßenbahnartiger Signalisierung (samt VLSA-Beeinflussung, natürlich!) versehen; später kommen noch Detailaufnahmen, hier sei auf die kleine Vierpunktsignalanlage neben dem Fahrverbotsschild im Hintergrund verwiesen.

Obus 5228 sahen wir schon von einer Aufnahme sieben Jahre später; hier fährt dieser Obus über die Kreuzung vor dem Einkaufszentrum Kronenburg. Spaziert man durch Arnheim, fällt wieder einmal die immense Dichte von Lebensmittelsupermärkten in Österreich auf – hier in Arnheim kann man, wie in vielen anderen westeuropäischen Städten, nicht damit rechnen, an jeder zweiten Ecke einen Supermarkt jenseits der Greißlergröße zu finden. Das bewirkt zugleich eine größere Anzahl von größeren Einkaufszentren, die, wie mir scheint, gerade in Arnheim durchaus bewusst vom ÖPNV bedient werden. Zusteigende Fahrgäste hörte ich öfter den Fahrer fragen, ob er denn zu diesem oder jenem Einkaufszentrum führe; die Haltestellen tragen auch durchaus die entsprechenden Namen. Gerade das sehr große Zentrum in Kronenburg hat die Obushaltestelle auch prominent unmittelbar vor einem Haupteingang.  Die Aufnahme entstand am 20. August 2009, einem extrem heißen Tag, wie die durchhängende Oberleitung unschwer erkennen lässt.

EDIT: Foto etwas stärker komprimiert, lässt sich nun anhängen.

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #5 am: 04. Juni 2016, 15:14:02 »
Auf verkehrstechnisch unkritischen Außenstrecken schwimmen die Obusse typischerweise im Individualverkehr mit und profitieren allenfalls von Ampelvorrangschaltungen. Nicht überall muss die Komplettseparation vom sonstigen Verkehr gesucht werden, wenn die räumlichen Gegebenheiten nicht überreichlich sind und dem Obus kein Nachteil aus der Integration in den Verkehrsstrom erwächst; dafür wird hier anderer sanfter Mobilität sehr viel Platz eingeräumt: Wie in den Niederlanden üblich viel, viel Raum für Radfahrer; aber auch als Fußgänger fühlt man sich hier nicht wie ein Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse. Die Aufnahme hier ist wieder vom 11. April 2016, dieses Mal hinter dem Einkaufszentrum Presikhaaf in der Straße Lange Wal knapp vor der Stelle, wo sich die Linien 5 und 6 trennen. Nach all den Heizerseitenfotos nun einmal ein rechtsseitiges; zu sehen ist offensichtlich Wagen 5224 auf dem Weg durch die Innenstadt nach Schuytgraaf. Kein einziges Mal sah ich übrigens bei drei Reisen nach Arnheim bis jetzt einen falsch ausgeschilderten Bus, Einziehfahrten eingeschlossen.

Seit 2009 ist aus dem Betreiber Connexxion nun Breng geworden; der Fahrgastfluss ist nicht mehr auf den Bussen ausgeschildert, sondern inzwischen offensichtlich integraler Wissensbestandteil auch gelegentlicher ÖPNV-Benützer vor Ort geworden: Ich bin überhaupt kein Freund des Fahrgastflusses mit kontrolliertem Vordertüreinstieg, erst recht nicht bei Gelenkfahrzeugen, aber Jedem das Seine; die OV-Chipkaart verkürzt zugegebenermaßen den Zeitverlust durch Fahrscheinkauf und präzise -kontrolle. Mehr dazu nächstes Mal  :))

85A

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #6 am: 04. Juni 2016, 20:13:20 »
Heizerseitenfotos

 :))

Kein einziges Mal sah ich übrigens bei drei Reisen nach Arnheim bis jetzt einen falsch ausgeschilderten Bus, Einziehfahrten eingeschlossen.

Auch in den meisten anderen Städten außerhalb Wiens sind falsche Beschilderungen die absolute Ausnahme.

Bus33A

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #7 am: 04. Juni 2016, 20:19:14 »

Kein einziges Mal sah ich übrigens bei drei Reisen nach Arnheim bis jetzt einen falsch ausgeschilderten Bus, Einziehfahrten eingeschlossen.

Auch in den meisten anderen Städten außerhalb Wiens sind falsche Beschilderungen die absolute Ausnahme.
Eine der Städte wo es keine Ausnahme ist ist London. Dort kannst doch öfter falsche Beschilderungen sehen, weil die Brosebänder hängenbleiben, irgendwo dazwischen stecken bleiben, oder der Computer einfach auf "NOT IN SERVICE" bleibt...

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #8 am: 05. Juni 2016, 15:00:59 »
Nach dem Mitschwimmen im Individualverkehr nun wieder zurück zum völligen Gegenteil: Von all den Eigentrassen für den Obus ist diejenige vom Bahnhof über die Nelson Mandelabrug (ja, im Niederländischen hat man diese für unsere Augen eigenartige Getrennt-/Zusammenschreibung), den Eldense Weg, den Batavierenweg und weiter nach Süden bis in die Burgemeester Matsesingel südlich des Einkaufszentrums Kronenburg wohl sowohl die längste als auch die beeindruckendste. Auf diesem Abschnitt von fast 4km fährt der Obus völlig getrennt vom Individualverkehr auf einer eigenen Straße; beim Gelredome, wo sich auch das Vitesse-Stadion befindet, sogar ganz abseits anderer Straßen. Die Rheinbrücke selbst ist dabei schwierig mit Obus zu fotografieren; ein guter Fotostandort ist die beeindruckende südliche Ausfädelung der Linien 5 und 6 von der Linie 7 am Südende des Eldense Wegs. Auf der einen Aufnahme fährt Obus 5214 auf Linie 7 weiter Richtung Rijnhal und dann Kronenburg – und das äußerst zügig unter der Verzweigungsweiche; auf der anderen ist Obus 5218 auf Linie 5 Richtung Stadt und dann weiter nach Presikhaaf zu sehen – neben einem typischen Vierpunktlichtsignal. Beide Aufnahmen vom 5. September 2011.

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #9 am: 07. Juni 2016, 14:40:31 »
Eines der Paradigmen des Obusverkehrs in Arnheim ist die Bedienung des Bahnhofes als Haupt-ÖPNV-Knoten durch alle Obuslinien. Das führt zu der kuriosen Situation, dass außer der Linie 1 nicht nur alle Linien das kurze Stückchen vom Nieuwe Plein zum Bahnhof in beide Richtungen befahren, sondern die Linien 2 und 3 sogar den gesamten Abschnitt zwischen der Haltestelle Willemsplein – die ebenfalls von allen Linien bedient wird – und dem Bahnhof in beide Richtungen jeweils hin und zurück. Gemeinsam mit dem Velperplein, der genauso von allen Obuslinien bedient wird, besteht damit ein Haltestellentripel rund um die Brennpunkte des öffentlichen Verkehrs in Arnheim, das auch entsprechend würdig gestaltet ist. Bevor die Anlagen selbst zu Ehren kommen, hier einmal zwei Aufnahmen von der Linie 3 im gegebenen Umfeld.

Die erste zeigt Wagen 5215 an der Einfahrt zur Haltestellenanlage Willemsplein vom Burgers Zoo herunterkommend Richtung Bahnhof und dann weiter nach Het Duifje fahrend – letztere Endstation ist Resultat eines Ästetausches mit der Linie 1 anlässlich all der Erweiterungen der letzten Jahre. Die «uitgezonderd lijnbussen»-Zusatztafeln wie hier am Fahrverbotsschild rechts vor der Bahnunterführung kennen wir schon :) Das Nachrangschild täuscht; außerhalb des Fotos befindet sich eines der Vierpunktsignale, die dem Obus hier entsprechend geschützte Durchfahrt gewähren.

Auf der zweiten Aufnahme – so wie die erste vom frühen Morgen des 12. April 2016 – ist Obus 5231 am Bahnhof in Richtung Willemsplein und dann hinauf zum Burgers Zoo zu sehen; die alte Verzweigung am Nordende der Linie 3 nach Burgers Zoo einerseits und Alteveer andererseits wurde unlängst zugunsten einer längeren Schleife 't Craneveld–Burgers Zoo–Alteveer aufgegeben, sodass nun alle nordwärts fahrenden Obusse der Linie 3 dasselbe Ziel haben. Bei einem Viertelstundentakt führt sich meines Erachtens eine Halbierung der Frequenz, und sei es auch nur am äußersten Abschnitt, ohnehin ad absurdum. Die gewaltigen Oberleitungsanlagen rechts oben mit nicht weniger als sechs Fahrmöglichkeiten vor dem Bahnhof und ein paar weiteren dahinter kommen auch noch zu ihren Ehren :) Außer Obussen, Autobussen, ein wenig Zubringerverkehr und vielen Radfahrern fährt hier nix mehr – Platz zum Aufatmen an einem wurligen Plätzchen dieser schönen Stadt!

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #10 am: 08. Juni 2016, 16:16:35 »
Neben den bewährten Berkhof-Obussen, die in dieser Serie bis jetzt ausschließlich zu sehen waren, und die rund ums Jahr 2000 gebaut wurden, kommen seit 2009 häppchenweise immer neue Hess Swisstrolleys nach Arnheim, und im Gegenzug werden die jeweils ältesten Fahrzeuge ausgemustert. Inzwischen sind schon 30 Swisstrolleys im Einsatz, bei gleichzeitig nur mehr gut 20 Berkhofs… Mit den Swisstrolleys hat sich auch das Farbschema geändert; die ersten waren noch durchgehend blau wie die Berkhof-Gegenstücke lackiert, mittlerweile scheinen alle im neuen, helleren und von einem weißen Streifen durchsetzten Blau zu verkehren. Die Swisstrolleys sind bewährte, robuste, grundsolide Fahrzeuge von der Stange ohne Ecken und Kanten – zugleich aber auch gewissermaßen austauschbar mit anderen Betrieben ob der fehlenden Individualisierung.

Mit diesen Fahrzeugen ist die farbige Ausschilderung passé; die pulsierenden Anzeigen verlangen darüber hinaus stets Tricksereien beim Fotografieren à la Mitziehen oder -zoomen, so das Fahrzeug nicht steht. In stärkerem Sonnenschein wäre gar ein Neutralgraufilter nötig – das hat dann schon etwas Perverses, wenn man eine adäquate Blende nicht durch niedrigeres Rauschen bei, sagen wir, 25 ASA erzielen kann, sondern einen durchaus heiklen Vorschraublichtvernichtungsfilter braucht. Wie auch immer, wir sind hier auf der IJssellaan nächst der Haltestelle Waalstraat innerhalb von Presikhaaf; zu sehen ist Obus 5257 von 2015 am 11. April 2016.

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #11 am: 09. Juni 2016, 16:50:49 »
Wie in den Niederlanden üblich ist nun die OV-Chipkaart in Arnheim die (nahezu) einzige verbliebene «Fahrschein»gattung – zu den Details dieser omnipräsenten Karte siehe deren Website. Die einzige Alternative ist gewissermaßen ein «Straffahrschein» zu unterschiedlichem Preis je nach Tageszeit und Relation, Ritkaartje genannt, direkt beim Fahrer erhältlich, und nur für eine Einzelfahrt ohne Umsteigen berechtigend. Die OV-Chipkaart ist auch anonym in wenigen Sekunden erhältlich; der Nachteil solcher Systeme ist und bleibt das «Einstrittsgeld», diesfalls von 7,50€, das für den Gelegenheitsbesucher besonders schmerzhaft ist, auch wenn die anonyme OV-Chipkaart bis zu 5 Jahre gültig ist.

Mit der OV-Chipkaart ist dann im Bus jede Fahrt ein- und auszuchecken; faktisch werden beim Einchecken 4€ abgebucht, und beim Auschecken kommt die Differenz zwischen den echten Fahrtkosten und den 4€ wieder auf die Karte. Sprich: Man muss beim Einsteigen stets wenigstens 4€ auf der Karte vorrätig haben… Das Restguthaben wie auch die Kosten für die Karte selbst sind wohl nach Ablauf rückforderbar, aber das ist für jemanden, der nicht in den Niederlanden ansässig ist, de facto nicht mit sinnvollem Aufwand durchführbar: Insbesondere benötigt man dafür ein niederländisches Bankkonto.

Auf der positiven Seite steht die obligatorische Anerkennung der OV-Chipkaart bei allen ÖV-Trägern in den Niederlanden; am Bahnhof etwa stehen sowohl Breng- als auch NS-Terminals, wo man beim einen aus- und beim anderen einchecken kann, wenn man zB vom Obus auf einen Intercityzug umsteigt. Diese Integration halte ich für außerordentlich gelungen – daran gewöhnt man sich extrem schnell, meine ich. Davon abgesehen lassen sich die Fahrten und die abgebuchten Beträge nachträglich online sehr fein ansehen und nachprüfen, selbst bei der anonymen OV-Chipkaart – siehe unten 8)

Die Fahrtkosten selbst betragen in Arnheim 0,89€ Basistarif plus 0,148€ pro gefahrenem Kilometer. Beim Aus- und Einchecken innerhalb von 35 Minuten, also gewissermaßen regulärem Umsteigen, werden die Basiskosten nicht neuerlich berechnet. Beim Auschecken zeigt der Automat die abgebuchten Kosten an. Hier liegt in meinen Augen auch ein Hund begraben: Im vorhinein ist es allenfalls abschätzbar, was eine Fahrt kosten wird – aber der Betrag ist weiß Gott nicht offensichtlich! Zwar gibt es die Möglichkeit, Monats- oder Jahreskarten (zu in meinen Augen sehr hohem Preis) auf die OV-Chipkaart zu buchen, um die Kosten zu deckeln; aber wer nicht dauerhaft in Arnheim wohnt, löhnt an einem Tag einen im vorhinein unbekannten Betrag, wenn er mit dem Obus seine Runden fährt.

Wie der Teufel so will, habe ich das System mit einer Fahrt auf der Linie 2 von Schouwburg (nahe Airborne Plein) nach De Laar West verwirrt, wo ich im auf die Linie 6 übergehenden Bus sitzenblieb und weiter zum Bahnhof fuhr, das daraufhin signifikant zu viel abbuchte: Also das dafür vorgesehene Reklamationsformular ausgefüllt, und schwupps, habe ich einen netten niederländischen (virtuellen) Brief und die Differenz wieder aufgebucht bekommen, und kann sie mir gegebenenfalls auch auszahlen lassen. Bei zahlreichen Stellen sogar – in und um Arnheim :P

Summa summarum: Die OV-Chipkaart bietet in meinen Augen eine hervorragende Integration und «Bedienbarkeit»; wie das System letztlich im Detail umgesetzt ist, lässt für mich noch, sagen wir, Raum für Verbesserungen: Die Diskussion sei eröffnet 8) Ach ja, Foto: Obus 5223 in der Johan de Wittlaan bei der Haltestelle Groen van Prinstererstraat am 12. April 2016.

PS: «IJssellaan» letztes Mal litt nicht unter einer prellenden Shift-Taste  ;) : «IJ» als Ligatur wird stets gemeinsam klein- oder großgeschrieben.

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #12 am: 21. Juni 2016, 13:09:53 »
Der Urlaub ist zu Ende :-\, und damit die Möglichkeit, jeden Tag ein Foto samt Text einzustreuen… Aber in lockerem Takt soll's weitergehen :)

Nun, wie letztens schon angedeutet, halte ich den Betrieb in Arnhem auf eine wohltuende Art sowohl seriös (etwa alle Fahrer in tadelloser Uniform) als auch in gewisser Weise unverkrampft. Letzteres schlägt sich etwa bei der Zielanzeige auf dem ersten Foto nieder; dafür gibt es meines Wissens kein Anzeigefeld auf den Brosebändern 8) Ich kann mir vorstellen, dass diese Anzeige ab dem Velperplein bis zum Bahnhof angezeigt wird, wo eh andauernd irgendein (O-)Bus fährt.

Diese Aufnahme vom Swisstrolley 5260 entstand so wie die zweite Aufnahme, die den Berkhof 5231 zeigt, am 11. April 2016 in der Jansbinnensingel zwischen Velperplein und Willemsplein: Dieser Straßenzug ist in eine Richtung den (O-)Bussen komplett vorbehalten; in die andere Richtung gibt es aufgrund der Zufahrtskonfiguration ausschließlich Lokal-MIV: Summa summarum wieder ein Straßenzug, wo der öffentliche Verkehr nicht maßgeblich behindert wird; und dieser Straßenzug ist wirklich wichtig, fahren hier doch alle Obuslinien sowie einige Dieselbuslinien.

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #13 am: 25. Juni 2016, 12:35:24 »
Vielen dank für diesen wunderbaren Reportage :up:

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Re: [NL] Arnhem
« Antwort #14 am: 05. Juli 2016, 17:54:09 »
Wie schon lange angekündigt soll jetzt endlich der Bahnhofsvorplatz, nunmehr neben dem Stationsplein per se auch als Trolleybussenplein bekannt, das Hauptmotiv eines Beitrags sein. Nach den Kriegszerstörungen erst 1951 eröffnet, fahren seither die Obusse aller Linien allesamt stets über den Bahnhof, in beiden Richtungen, mit all den Konsequenzen, was das auf den Obusdurchsatz vor Ort hat. Heute sind das an Werktagen tagsüber 48 Obusse pro Stunde, die den Bahnhofsplatz entweder bloß queren, was nur die pro Richtung vier Kurse pro Stunde der Linie 1 betrifft, oder, und das ist logistisch noch komplexer, auf dem Platz von Osten kommend in beiden Fahrtrichtungen wenden, um wieder gen Osten weiter ihrem Ziel zuzustreben.

Die einschlägigen Monographien, die mir zur Verfügung stehen, sind leider nicht mehr die allerjüngsten; und für diesen Beitrag ist mir nicht danach, in zwanzig Jahren Blickpunkt Straßenbahn nachzulesen  ;) Man verzeihe mir also die unter Umständen unpräzise Diktion: Meiner Erinnerung nach in den frühen 2000er-Jahren wurde der langsam aus allen Nähten platzende Vorplatz für die Obusse dahin gehend umgebaut, als diese eine Hausdurchfahrt am Westrand des Bahnhofsplatzes erhielten, die in der Regel in beide Richtungen durchfahren wurde. Wohl bot sie einen tadellosen Witterungsschutz, doch war die Durchfahrt von Anfang an zu eng, zu schmal, zu unübersichtlich, mit äußerst problematischer Ausfahrt in den damals noch tosenden Verkehr vor dem Bahnhof; kurzum: Den Anforderungen von Anfang an nicht gewachsen. Wie habe ich gestaunt, dass die Verantwortlichen dieses Fehldesign offenbar nicht nur erkannten, sondern auch im Zuge des Bahnhofkomplettumbaus der letzten etwa fünf, sechs Jahre völlig auf den Kopf stellten. Nunmehr fährt die Linie 1 wie ehedem am Bahnhofplatz in beiden Richtungen vorbei und ist Richtung Velp die einzige Linie, die auf der bahnhofabgewandten Seite hält. Die Linie 3 ist die einzige verbliebene Linie, die in beiden Richtungen durch die enge Hausdurchfahrt verkehrt; dafür reichen die Gegebenheiten, zumal auch der Durchzugsverkehr nach dem Bahnhofsumbau verschwunden ist. Die Linien 2, 5, 6 und 7 hingegen haben allesamt einfachste Bahnsteige auf der dafür freigeräumten und den Obussen gewidmeten Fläche zwischen Bahnhof und Nieuwe Plein/Willemsplein erhalten; eine Fläche, die zum Bahnhofseingang hin abfällt und kurze, direkte Wege in den Bahnhof hinein bietet, wo die Fahrgäste auch bei suboptimalen Wetterbedingungen Unterstand finden und bloß die paar Meter zu den Obussen eilen müssen, wenn diese zur Weiterfahrt parat stehen. Einfach und günstig gemacht, räumlich großzügig gestaltet, das Gegenteil von überkandidelt (wie es die Hausdurchfahrt war) – man mag sich an großräumigen Asphaltflächen ästhetisch stoßen, aber ich kenne kaum eine benutzerfreundlichere Lösung, um so viele Linien mit doppelt so vielen Destinationen direkt an den Bahnhof anzubinden.

Oberleitungstechnisch bewirkt das natürlich eine Weichenorgie; letztlich passen aber auch die Oberleitungen in diesen großzügigen Platz hinein, der eher durch seine freiflächenbetonte (und doch von Grün durchsetzte) Avantgarde besticht, denn durch erhaltenswerte Altbausubstanz. Fotografisch ist der Bahnhofsvorplatz dennoch schwer in seiner Gesamtheit abzubilden; daher ein paar Häppchen, die dieses Gesamtbild erzeugen sollen. Fangen wir mit Obus 5219 an, der hier am 11. April 2016 auf Linie 5 Richtung Nelson Mandelabrug und dann weiter nach Schuytgraaf aufbricht, nachdem er gerade «seinen» Bahnsteig verlassen hat. Links die Drehtüren in den Bahnhof, hinter denen man quasi schon mittend'rin ist.